Als Geflüchteter in Deutschland studieren (1)

Als Geflüchteter in Deutschland studieren (1)

Stellt euch vor, ihr hättet euren Bachelor in der Tasche, könntet jedoch auf Grund der politischen Lage nicht in eurem Heimatland bleiben. So erging es Aya. Die 24jährige aufgeschlossene junge Frau ist vor kurzem als Geflüchtete aus Latakia in Syrien über Umwege nach Deutschland gereist. Im Gepäck hat sie ein Diplom in Geotechnik und eine große Portion Motivation, hier in Deutschland ihren Master zu machen. Wir dürfen die junge Syrerin bei ihrem Vorhaben in den nächsten Monaten begleiten und werden auf dem StudiHeld Blog ihre Erfahrungen sowie hilfreiche Tipps zusammentragen.

Im ersten Teil unserer Serie möchten wir Aya und ihre persönliche Geschichte genauer vorstellen. Dazu haben wir ein Interview mit ihr geführt.

Aya, wo kommst du her und warum bist du nach Deutschland gekommen?

„Ich bin von Syrien nach Deutschland geflüchtet  Einerseits weil mein Mann bereits seit 2015 hier lebt und zudem hatte ich schon lange den Traum, an einer deutschen Universität zu studieren. Nach meinem ersten Monat kann ich sagen: ich liebe Deutschland! Auch wenn ich mich erstmal an die Berge von Papierkram gewöhnen muss, den wir gerade zu bewältigen haben. Ich mag, dass die deutschen Städte so gepflegt sind, ich bin begeistert von der Mülltrennung und wurde bislang freundlich und offen behandelt. Ich freue mich sehr darauf, mir hier mit meinem Mann ein Leben aufbauen zu können und hoffe, dass ich hier auch die Chance auf eine Karriere habe.“

Wie verlief dein Leben in Syrien?

„Ich bin in Latakia, einer syrischen Hafenstadt am Mittelmeer, aufgewachsen und wir hatten dort ein sehr schönes Leben. Wir fühlten uns sehr sicher und lebten in einer schönen Stadt in einem sehr schönen Land. Während meiner Schulzeit war ich oft mit meiner Familie und Freunden am Meer und wir genossen das Leben. Nach der Hochschulreife begann ich mein Studium der Ingenieurwissenschaften an der Universität von Latakia. Doch während meines ersten Studienjahrs begann der Krieg. Unser Leben änderte sich schlagartig. Wir lebten in ständiger Angst, verfolgten besorgt die Entwicklungen in unserem Land, oft hatten wir keinen Strom, kein Wasser, Nahrungsmittel wurden teuer und es wurde schwer, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Uni zu fahren. Meine Eltern wollten, dass ich Zuhause bleibe, doch die Uni lief ganz normal weiter und ich war motiviert, mein gerade erst begonnenes Studium weiterzuführen. Also nahm ich die ständige Angst in Kauf und studierte Ingenieurwissenschaften.“

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Ayas Universität in Latakia

Wie kamst du auf Ingenieurwissenschaften? In Deutschland studieren leider noch vergleichsweise wenige Frauen diesen Fachbereich.

„Ja, so ist das auch in Syrien. Ich liebte einfach schon immer Mathe und Physik und habe mich für Technologien interessiert. Meine Neugier hat mir Mut gegeben und ich war so fasziniert von diesem Fachbereich, dass ich mich einschrieb. Doch das Studium war sehr schwer. Arabische Universitäten gelten allgemein als anspruchsvoll und ich musste dementsprechend viel lernen, um gute Noten schreiben zu können. Aber es hat sich gelohnt. Ich habe dann den Fachbereich Geotechnik als Vertiefung gewählt und im letzten Jahr mit einem guten Ergebnis abgeschlossen, was mich sehr stolz macht.“

Herzlichen Glückwunsch zum Studienabschluss. Wie kam es dann zur Flucht nach Deutschland?

„Ich hatte zu Beginn meines Studiums einen Freund. Als der Krieg ausbrach, wurde er in die syrische Armee einberufen und da er diese nicht unterstützen wollte, entschied er sich zur Flucht. Da wir uns miteinander sicher waren, heirateten wir vor seiner Flucht nach Deutschland. Mein Mann ist schon im letzten Jahr in Deutschland angekommen, hat bereits Deutsch gelernt und angefangen, unser neues Leben aufzubauen. Ich hatte mich dazu entschieden, erstmal mein Studium in Syrien abzuschließen. Zusätzlich besuchte ich Sprachkurse in Deutsch und Englisch, um mich auf mein Leben in Deutschland vorzubereiten“

Konntest du dann einfach nach Deutschland fliegen?

„Nein, mein Weg nach Deutschland war sehr schwierig und ich erzähle gerne mehr dazu. Ich wollte nicht auch den gefährlichen Weg nach Deutschland gehen. Daher planten mein Mann und ich eine Familienzusammenführung in Deutschland. Diese muss man in einem deutschen Konsulat beantragen. Da in Syrien alle deutschen Konsulate geschlossen sind, muss man in ein Nachbarland reisen, um dort ein Visum zu beantragen. Da ich Freunde in der Türkei habe, entschied ich mich dafür, dort mein Visum zu beantragen. Um überhaupt die Erlaubnis zur Ausreise zu erhalten, musste ich sehr viele Genehmigungen von offiziellen Stellen in Syrien einholen und ebenso war es ungewiss, ob ich überhaupt heil in der Türkei ankommen würde und die Grenze passieren konnte. Doch ich hatte Glück und kam schließlich im letzten Herbst bei Freunden in Mersin an.“

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Zuerst musste Aya von Syrien in die Türkei reisen

Wie ging es dir dabei? Wie ging deine Reise weiter?

„Ich hatte Angst, denn ich ließ meine Familie in Syrien zurück und reiste zum ersten Mal überhaupt alleine. Die Türkei ist ein sehr schönes Land, allerdings war es schwierig für mich, da ich alleine und fremd war und die Sprache nicht spreche. In Mercin kam ich abwechselnd bei Freunden unter. Das war eine harte Zeit für mich, aber ich hatte immer das Ziel vor Augen, endlich zu meinem Mann nach Deutschland zu reisen. Nach ein paar Wochen erhielt ich endlich die Einladung zum deutschen Konsulat in Izmir und nahm die 16-stündige Busreise von Mercin nach Izmir auf mich. Dort musste ich sehr viele Fragen zu mir und meinem Mann beantworten. Dieser Prozess wiederholte sich noch zweimal und zog sich insgesamt über drei Monate hin. Das war die schwerste Zeit für mich, wie auf einem Abstellgleis in der Türkei warten zu müssen. Doch dann kam die erlösende Nachricht, dass ich mein Visum abholen könne. Damit konnte ich dann direkt aus der Türkei nach Deutschland fliegen, was mich überglücklich machte.“

Mit dem Bus fuhr Aya mehrmals von Mersin nach Izmir
Mit dem Bus fuhr Aya mehrmals von Mersin nach Izmir

Respekt für deinen Mut. Jetzt bist du in Baden-Württemberg angekommen. Wie geht es weiter?

„Ja, ich denke, dass wir Syrer gerade jetzt stark sein müssen und den Mut haben, an einem sicheren Ort von vorne anzufangen. Ich warte aktuell auf meinen Aufenthaltsstatus und den Platz in einem Deutschkurs. Diese Zeit nutze ich intensiv, um meine Deutschkenntnisse auf eigene Initiative zu verbessern und mich bereits jetzt an Hochschulen mit speziellen Flüchtlingsprogrammen zu bewerben. Mein Ziel ist es, zum Wintersemester 2017/18 in solch ein Programm aufgenommen zu werden. Mein Mann ist aktuell auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz und mein großer Traum ist ein Masterstudium in Geotechnik an einer deutschen Universität.“

Flugreise von Izmir nach Stuttgart
Flugreise von Izmir nach Stuttgart