„Eine Frage habe ich noch“, sagt Johannes, „was bringst Du mit in unsere WG?“ Da ist sie, die Gretchenfrage der WG-Suche. Wer nicht mit seinem Charakter zu überzeugen weiß, sollte zumindest eine nützliche Mitgift in den Hausrat mitbringen. „Ich habe Pay-TV“, antworte ich. „Wir haben keinen Fernsehanschluss“, erwidert Johannes. Bestechung fehlgeschlagen.
Günstiger Wohnraum, insbesondere für Studenten und Auszubildende, ist in Großstädten wie Düsseldorf selten. Bis zu 150 Personen bewerben sich auf ein freies WG-Zimmer. Wie schafft man es bei dieser Konkurrenz, ein Dach über dem Kopf zu bekommen? Um diese Frage zu beantworten, habe ich 20 Wohngemeinschaften über eine Wohnungsbörse kontaktiert. Fünf davon haben mich zur Besichtigung eingeladen, wo ich allerhand Kurioses erlebt habe.
Die erste WG liegt in der Innenstadt. 20 Quadratmeter für 400 Euro. Das Inventar der Wohnung ist alt und klapprig, viele Geräte in der Küche sind defekt. Ich sitze mit meinen drei potentiellen Mitbewohnerinnen am Küchentisch, um einander kennenzulernen. „Und was machst Du so?“, fragt mich eine von ihnen. Bevor ich antworten kann, klingelt es jedoch an der Tür. Der nächste Interessent wartet, sodass ich mich schon wenige Minuten später verabschieden muss. „Viel Erfolg!“, wünsche ich meinem Nachfolger. „Danke, Dir nicht!“, ruft er mir hinterher. Der Konkurrenzkampf ist hart.
Selbst-Marketing als Erfolgsrezept?
Die zweite WG ist für Düsseldorfer Verhältnisse ein wahres Schnäppchen. 280 Euro für 14 Quadratmeter im Szeneviertel Flingern. Doch die kleine Wohnung wird ihrem Preis gerecht. Überall stehen Kisten und Gerümpel herum. Im Bad liegen zwei dreckige, abgetretene Fußabtreter; während im Wohnzimmer ein Beamer an der Decke hängt. Jeder setzt seine Prioritäten anders. Die Bewohner Johannes und Tim versuchen, mit mir ins Gespräch zu kommen. „Hast Du spannende Hobbys?“, fragt mich Johannes. Ich bitte ihn, „spannend“ zu definieren, woraufhin er mir erklärt, dass er gerne mit dem Zug fährt. Dagegen kann Badminton nur schwer mithalten.
Das Fazit der ersten beiden Besichtigungen ist ernüchternd, die Absagen der Bewohner überraschen mich nicht. Vielleicht bin ich zu unvorbereitet an die Sache gegangen. Deshalb hole ich mir Hilfe. Die 23-jährige Studentin Mareike fand im Gegensatz zu mir sofort ein Zimmer. Um ebenso erfolgreich zu sein, solle ich für mich werben, rät sie mir. Was könne ich der WG bieten? „Bei einer WG-Suche geht es um Selbst-Marketing“, erklärt sie. Außerdem solle ich vermeiden, wie ein Makler aufzutreten. „Sprich nicht über die schönen Fenster, sondern versuche zu den Bewohnern einen Draht zu finden.“
Bei meiner nächsten Besichtigung, wieder in Flingern, will ich diese Tipps umsetzen. 14 Quadratmeter für 430 Euro. Sowohl Zimmer als auch Wohnung machen einen guten Eindruck. Um Mareikes Tipp zu beherzigen, frage ich den Bewohner Peter nach seinen Interessen und Hobbys, suche dabei jedoch vergeblich nach Gemeinsamkeiten. Nach fünf Minuten haben wir uns schon nichts mehr zu sagen und schauen beide auf die Uhr, bis er mich höflich zum Ausgang geleitet.
20 erfolglose Besichtigungen
Vielleicht bin ich abseits der Innenstadt im Düsseldorfer Süden erfolgreicher. 450 Euro für 18 Quadratmeter. Zwei der vier Mitbewohner scheint es jedoch egal zu sein, wer in das freie Zimmer zieht, denn sie sind bei meiner Besichtigung nicht anwesend. „Wir berichten den anderen beiden von Dir“, erzählt Lea. Dass auch ich vor Einzug gerne wissen möchte, wer künftig mit mir zusammenwohnt, kommt ihr nicht in den Sinn. Neben dem freien Zimmer zeigt mir Lea das große renovierte Bad der Wohnung. „Das ist für uns Mädchen“, erklärt sie. Für die männlichen Bewohner steht dagegen ein halb so großes, nicht renoviertes Bad zur Verfügung. Im Wohnzimmer folgt dann ein kurzes Gespräch, an dem auch ihr Mitbewohner Sven teilnimmt. Jedoch geht es dabei wenig um Charakter oder Interessen. Besonders wichtig ist den beiden ein anderes Thema: „Trägst Du Hausschuhe?“, fragt mich Sven. Ich gucke ihn irritiert an. „Uns ist es wichtig, dass der Dreck auf der Straße bleibt“, ergänzt Lea. Ich suche zwar nach einer Wohnung, aber das bedeutet nicht, dass ich noch nie in einer gewohnt habe.
Auch von diesen beiden WGs bekomme ich eine Absage. Ich werde zunehmend frustriert. Mit der 23-jährigen Studentin Lara finde ich eine Leidensgenossin. 20 Wohnungen hat sie bislang besichtigt, bislang ohne Erfolg. „Irgendwann beginnt man, an sich selbst zu zweifeln“, berichtet sie. Besonders ärgert es sie, dass sie häufig nicht einmal eine Absage bekommt. „Ich will gar nicht daran denken, wie viel Zeit ich schon in die Wohnungssuche investiert habe“, führt sie fort. Zu ihrem Glück kann sie vorerst bei einer Freundin wohnen.
1.800 Euro für eine Handvoll heruntergekommener Möbel
Vielleicht habe ich bei meinem letzten Versuch mehr Erfolg. 15 Quadratmeter für 460 Euro im Zentrum. Mein möglicher Mitbewohner Carsten führt mich in wenigen Minuten durch die Wohnung. Interesse an mir hat er nicht. Hauptsache ich bin ruhig und sauber. Abschließend erklärt er mir noch, dass 50 Euro des Mietpreises eine Pauschale für die Möbel in der Küche und im Wohnzimmer seien. Nach drei Jahren hätte ich somit 1.800 Euro für einen zehn Jahre alten Herd, eine Waschmaschine sowie ein gebrauchtes Sofa bezahlt.
Doch ob Wucher oder nicht, am nächsten Tag bekomme ich meine lang ersehnte Zusage, die ich jedoch dankend ablehne. 460 Euro sind viel Geld, wenn man bedenkt, dass der BAföG-Höchstsatz aktuell 649 Euro beträgt. Davon sind 250 Euro als Pauschale zum Wohnen gedacht. 385 Euro haben die von mir kontaktierten WGs im Durchschnitt gekostet. Aber wer in Düsseldorf ein WG-Zimmer will, braucht nicht nur Geld, sondern insbesondere Durchhaltevermögen, Selbst-Marketing und eine große Portion Glück. Mein Glück ist in diesem Fall, dass ich im Studentenwohnheim wohnen darf, wo ich nach diesen Erfahrungen auch gerne bleibe.