Unser Autor Daniel verbringt ab Februar ein Auslandssemester im litauischen Vilnius. Für euch berichtet er über seine Erfahrungen zwischen Studienalltag und Partywahnsinn. Im ersten Teil geht es um endlosen Mailverkehr und einen niederschmetternden Sprachtest.
„Vilnius? Wie kommt man den darauf?!“ – Egal wem ich von meinem anstehenden Auslandssemester in Litauen erzähle, die Reaktion ist stets dieselbe. Die anfängliche Überraschung weicht schnell einer gewissen Betroffenheit, als würde ich erzählen, dass ich mich einer Darmspiegelung unterziehen wolle. Dabei könnten vermutlich die Wenigsten überhaupt Litauen auf einer Karte einzeichnen.
Dabei ist Litauen voraussichtlich weniger aufregend, als der erste Eindruck versprechen mag. Spätestens seit Beitritt zur EU wird es auch dort fließend Wasser geben und ganz nebenbei ist das kleine Land im Baltikum in Sachen Breitband den Deutschen meilenweit voraus. Trotzdem hätte ich das Land ohne Erasmus vermutlich niemals besucht, geschweige denn mich mit Stadt und Land auseinandergesetzt. Warum also nicht gleich ein halbes Jahr dort bleiben?
Der Weg ist das Ziel
Doch mindestens genauso spannend wie mein Reiseziel selbst ist das Vorgeplänkel. Learning Agreement lautet die magische Formel. In einem schier endlosen Mailverkehr zwischen mir, diversen Dozenten aus Litauen sowie meiner Heimatuniversität galt es zu klären, welche Leistungen mir aus Litauen angerechnet werden können. Doch das ist gar nicht so einfach: Hier ein Credit Point zu wenig, dort eine Klausur zu viel. Wer jemals ein Auslandssemester absolviert hat, weiß, dass man ohne waghalsige Interpretationen und dreiste Lügen keine Chance hat, auch nur ein einziges Seminar angerechnet zu bekommen.
Umso schöner ist dann die Nachricht, dass im Anschluss an diesen Kampf kurzfristig eines der anzurechnenden Seminare gestrichen wurde. „Dann müssen sie sich wohl einen neuen Kursus suchen“ lautete der nüchterne Kommentar meiner Erasmus-Koordinatorin in Vilnius dazu. Ach, schau an.
Englisch B2 – es war einmal…
Als ähnlich frustrierend stellte sich der Sprachtest heraus, den Erasmus-Studenten neuerdings vor Beginn ihres Aufenthalts absolvieren müssen. Dabei gehe es nicht darum, ein gewisses Ergebnis zu erreichen, sondern, um Fortschritte während des Auslandssemesters zu untersuchen, hieß es in der Erklärung. Glück für mich, denn das Ergebnis bietet durchaus noch Potential nach oben. B1 lautete die ernüchternde Einschätzung meines Sprachniveaus, wohingegen mein Abiturzeugnis mir bescheinigt, irgendwann einmal auf der Stufe B2 gewesen zu sein. Not so grät ei sink.
Aber beim interkulturellen Austausch mit anderen Studenten wird sich das schon von selbst verbessern, sofern nach fünf Litern Bier um drei Uhr morgens noch Konversationen möglich sind. Gemeint sind damit natürlich die anderen Studenten, denn ich werde mich natürlich nur von Tee und Leitungswasser ernähren. Doch bevor es dazu kommt, gilt es vor Ort erst einmal eine Wohnung zu finden, um der Obdachlosigkeit zu entgehen. Hoffentlich können litauische Makler Deutsch, denn sonst wird die Kommunikation vermutlich etwas schwieriger.